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Gran Canaria History: Kanarische Route – Der Auslöser jeder Flüchtlingskrise seit 1994

Alles begann im Jahr 1994...

Lesedauer 6 Minuten

In diesem Gran Canaria BLOG befassen wir uns mit dem Thema Flüchtlinge und der atlantischen Route bzw. der mittlerweile als kanarische Route bezeichneten Fluchtroute von Menschen aus Afrika nach Europa. Die wichtigsten Eckdaten über die kanarische Route haben wir in diesem sich mit der Geschichte der Kanaren befassenden Beitrag zusammengetragen.

Am 28. August 1994 gab es die erste Ankunft von Flüchtlingen per Boot auf den Kanarischen Inseln innerhalb der Route. Es waren 2 junge Männer, die mit einem Fischerboot auf Fuerteventura ankamen. Die beiden Männer nutzten das Licht des Leuchtturms La Entallada, um den Weg nach Fuerteventura zu finden. Der Leuchtturm steht dem afrikanischen Kontinent am nächsten und ist gerade einmal 100 Kilometer entfernt von dort.

Seit diesem Tag hat sich die Zahl der Flüchtlinge, die per Boot auf den Kanaren angekommen sind, massiv erhöht. Die als „tödlichste Route der Welt“ bezeichnete kanarische Route schreckt die Flüchtlinge allerdings nicht mehr ab, sich weiterhin in Lebensgefahr zu bringen, dies allein zeigt schon, wie verzweifelt die Menschen in Afrika teilweise sein müssen. Mehrere Tausend haben in den letzte 30 Jahren, beim Versuch Europa zu erreichen, das Leben verloren.

1999 – Kanarische Route und der erste Schiffbruch

Am 26. Juli 1999 erleidet erstmals ein Flüchtlingsboot einen Schiffbruch, nahe der Küste von Morro Jable (Fuerteventura). Ein Boot mit nur sechs Metern Länge, welches lediglich 300 Meter vor der Küste, nahe dem Strand La Señora sank und 9 Todesopfer forderte, ging somit in die Geschichte über die kanarische Route ein. Die Opfer zahlten damals für die Überfahrt 4.000 Dirham an die Schlepper, das waren zu damaligen Zeit rund 70.000 Peseten bzw. 420 Euro.

Bis zu dem Zeitpunkt gab es keine offiziellen anderen Schiffbrüche, zumindest nicht so, dass jemand darüber hätte berichten können.

2005 bis 2006 – Erstmals tauchten sogenannte Cayucos auf
Es war bereits Anfang 2005, da rettete die Küstenwache 19 Flüchtlinge in der Nähe von Agaete auf Gran Canaria. Erstmals waren Flüchtlinge im Nordwesten von Gran Canaria aufgetaucht, zudem kamen die Menschen in einem „seltsamen Boot“ an. Es war in länglicher Form und wich deutlich von den bis dahin genutzten Booten ab. Man kennt diese länglichen Boote heute als Cayucos.

Aufgrund der Koordinaten, die man erreicht hatte, war klar, das Boot kann nicht aus Marokko gekommen sein, es musste weiter aus dem Süden von Afrika stammen. In den folgenden Wochen tauchten immer mehr solcher Cayucos auf. Die Bezeichnung wird für Fischerboote aus Mauretanien oder dem Senegal verwendet. Es sind lange Boote mit einer Kapazität von bis zu 200 Menschen und einer Reichweite von bis 1.300 Kilometern.

Im Jahr 2005 kamen auf diesen Cayucos 4.715 Menschen auf den Kanarischen Inseln an, im darauffolgenden Jahr 2006 waren es dann schon 31.678, damit begann offiziell die als „Cayuco-Krise“ bezeichnete erste Flüchtlingskrise auf den Kanarischen Inseln.

Die Cayuco-Krise wurde durch Millionenbeträge, die aus der EU an diverse Länder gezahlt wurden, beendet. Rabat, Nouakchott und Dakar haben damit begonnen, die Flüchtlinge schon am Land festzusetzen. Die Lage entspannte sich zusehends.

Kanarische Route, eine Tragödie im Jahr 2009

Die meisten offiziellen Todesfälle bei einem Schiffbruch (bis zum Jahr 2024 eingeschlossen) gab es beim Schiffbruch im Jahr 2009. Nur wenige Meter von der Küste von Lanzarote entfernt sank ein Flüchtlingsboot mit 31 Insassen an Board. Davon ertranken 25 Menschen; es ist die bis heute höchste Zahl an offiziellen Todesopfern, die auf der kanarischen Route bei einem einzigen Schiffsunfall jemals registriert wurden.

Wie die Dunkelziffern genau aussehen, kann bis heute nur geschätzt werden. Es kann durchaus auch sein, dass es schon ganze Schiffe mit mehr Insassen an Board in die Tiefe gerissen hat.

2019 bis 2021 – Nicht nur Corona hielt die Kanaren im Bann auch die kanarische Route
Nach dem Ende der Cayuco-Krise kamen nur noch 200 bis 400 Flüchtlinge pro Jahr auf den Kanarischen Inseln an, maximal waren es um die 1.300. Doch im Jahr 2020 änderte sich alles und die kanarische Route war wieder extrem „beliebt“.

Nachdem im Jahr 2019 die Zahl der ankommenden Flüchtlinge schon spürbar höher ausgefallen war, schaffte die Corona-Pandemie genau das, was damals auch die Cayuco-Krise ausgelöst hatte. Die Verzweiflung der Menschen in Afrika durch wirtschaftliche Zusammenbrüche trieb wieder tausende in die Boote. Man hätte meinen können, nachdem die Krise mit den Cayucos überstanden war, dass man daraus gelernt hätte, ganz das Gegenteil schien der Fall zu sein.

Ganz massiv betroffen war im Jahr 2020 Gran Canaria. Insbesondere der Hafen von Arguineguin (Mogán), das sogenannte „Dock der Schande“ geisterte durch die sozialen Medien und die anderen Medien Europas. Der Grund war einfach, rund 2.500 Flüchtlinge schliefen auf dem Betonboden des Hafenbeckens, tagelang. Der Grund dafür lag darin, dass die Auffangeinrichtungen für Flüchtlinge einfach nicht ausreichten, denn nach dem Ende der Cayuco-Krise wurde dieses „Netz“ nahezu demontiert.

Kanarische Route ab 2022 bis heute

Seitdem die kanarische Route wegen der Corona-Pandemie eine Reaktivierung erfahren hatte, hat sich die Zahl der Flüchtlinge, die auf den Inseln ankamen, fast in jedem Jahr erhöht und es gab fast in jedem Jahr neue Rekorde. Die Cayucos haben sich mittlerweile „zurückgezogen“, es werden wieder die alten klassischen Boote verwendet, die eine nicht so hohe Reichweite haben. Deshalb sind auch wieder die anderen Inseln des Archipels stärker betroffen als beispielsweise Gran Canaria.

Erstmals kamen sogar Schlauchboote zum Einsatz, die beispielsweise Fuerteventura oder Lanzarote erreichen konnten.

Im Jahr 2023 erreichten El Hierro allein 14.098 Flüchtlinge, eine Zahl, die deutlich über der Einwohnerzahl der Inseln (11.154) lag. In dem Jahr wurde auch ein neuer Rekord von Insassen in nur einem Boot festgestellt, gleich zweimal. Denn am 4. Oktober kam ein Boot mit 271 Menschen auf El Hierro an, was dann von einem weiteren Boot am 21. Oktober mit 370 Menschen an Board nochmals übertroffen wurde.

Und im Jahr 2024 stehen die Kanarischen Inseln vor einem noch größeren Problem. Bisher sind fast 6.000 minderjährige Flüchtlinge über die Atlantikroute eingetroffen und die Kanaren werden sowohl von Spanien als auch der EU nahezu alleingelassen. Die Kanaren fordern daher berechtigterweise, dass sowohl Spanien als auch die EU sich bei der Flüchtlingskrise beteiligen, so wie es auch 1999 schon passiert war.

230.000 Flüchtlinge sind über die kanarische Route angekommen
Seit das erste Boot im Jahr 1994 die Küste der Kanarischen Inseln erreicht hat, haben wir auf den Inseln rund 230.000 Flüchtlinge gesehen, die über die kanarische Route die Inseln erreicht haben.

Bei der Zahl der Todesfälle gibt es diverse Angaben. So berichtet beispielsweise die Organisation der Vereinten Nationen für Migranten (IOM), dass seit 2014 mindestens 4.755 Menschen im Atlantik starben. Die NGO Camino Fronteras hat errechnet, dass seit Januar 2018 18.680 Todesfälle dokumentiert sind.

In der folgenden Tabelle sehen Sie die genauen und offiziell erfassten Flüchtlingszahlen auf den Kanarischen Inseln seit dem ersten Eintreffen über die kanarische Route:

Jahr Flüchtlinge Flüchtlinge

(kumuliert)

1994 10 10
1995 29 39
1996 27 66
1997 112 178
1998 737 915
1999 2.165 3.080
2000 2.240 5.320
2001 4.105 9.425
2002 9.875 19.300
2003 9.388 28.688
2004 8.426 37.114
2005 4.715 41.829
2006 31.678 73.507
2007 12.478 85.985
2008 9.181 95.166
2009 2.246 97.412
2010 196 97.608
2011 340 97.948
2012 173 98.121
2013 196 98.317
2014 296 98.613
2015 875 99.488
2016 672 100.160
2017 418 100.578
2018 1.307 101.885
2019 2.698 104.583
2020 23.271 127.854
2021 22.316 150.170
2022 15.678 165.848
2023 39.910 205.758
2024 (*) 23.367 229.125

* Stand: 23. August 2024 (Die Zahlen stammen aus Sammlungen von EFE)

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