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Flüchtlingskrise: Entsetzen – Flüchtlinge aus Mogán in Las Palmas „ausgesetzt“ – Mit Kommentar

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Gran Canaria – Die Flüchtlingskrise hat gestern Abend auf Gran Canaria für einen ganz konfliktreichen Moment gesorgt. Die Gemeinde Mogán hat 227 Flüchtlinge, die bisher im Hafen von Arguineguin auf die Zuweisung einer Erstunterkunft gewartet hatten in Busse gepackt und nach Las Palmas de Gran Canaria gebracht. Dort hat man die jungen Männer einfach am Plaza de la Feria abgesetzt. Die Busse wurden von der Gemeinde Mogán gechartert. Keine Behörde der Kanarischen Inseln noch von Gran Canaria wusste von diesem Vorgehen oder wurde vorab informiert.

Das spanische Innenministerium bestätigte lediglich nur, dass niemand eingesperrt werden kann, außer aus wichtigem Grund, wie beispielsweise Hygienemaßnahmen oder Quarantäne. Genau das sei mit den Flüchtlingen passiert, die die vorgeschriebene Quarantäne abgeschlossen hatten. Zudem haben alle Flüchtlinge einen negativen Coronatest gehabt. Alle Flüchtlinge waren bereits in nationalen und internationalen Datenbanken gespeichert, also ist auch die Erstaufnahme abgeschlossen gewesen.

Das spanische Innenministerium hat bereits eine Untersuchung des Vorgangs eingeleitet, um festzustellen, wer diese Überführung angeordnet hat und wieso niemand davon wusste. Eine gleiche Forderung stellte am Abend der Inselpräsident Torres. Zudem forderte er das Innenministerium auf, einen solchen Vorgang nicht wieder geschehen zu lassen. Die Vermutung von Torres war, dass für diese Überführung, die von der lokalen Polizei durchgeführt wurde, ein „Befehl des Innenministeriums vorliegt“. Innenminister Grande-Marlaska hat dies heute im Parlament von Spanien jedoch verneint und die Untersuchung angekündigt.

Man hat gemeinsam mit der lokalen Stadtverwaltung von Las Palmas und dem Roten Kreuz versucht eine Lösung zu finden, damit die Flüchtlinge nicht ohne Essen und Schlafplatz mitten in der Stadt ausharren mussten. Letztendlich half das spanische Migrationsministerium mit der Überführung in eine touristische Unterkunft in Maspalomas.

Flüchtlinge wussten von nichts

Selbst die Flüchtlinge wussten von nichts. In Las Palmas eingetroffen hat man diese einfach aus den Bussen raus gefegt und den Ort verlassen. Man überließ diese Menschen sich selbst. Anwohner der Zone bekamen dies mit und brachten den Menschen etwas zu Essen. Ratlosigkeit machte sich bei den Flüchtlingen und Anwohnern breit. Auf Nachfrage der lokalen Presse erklärten die Flüchtlinge, dass man an dem Tag nur eine Mahlzeit zu essen bekommen hatte, und man seit 15 Tagen keine Dusche mehr nehmen konnte. Man wisse nicht was nun passiert, niemand hat ihnen etwas erklärt, also warteten Sie dort an Ort und Stelle auf weitere Informationen und Anweisungen. Zwischenfälle gab es keine.

Einige Flüchtlinge wollten zum marokkanischen Konsulat, doch auch dort konnte man den Menschen nicht helfen. Die Ratlosigkeit war überall gleichermaßen vertreten. Selbst die Gemeinde Mogán erklärte, dass man nicht wisse, wieso die Flüchtlinge nach Las Palmas gebracht wurden.

Die Überführung nach Maspalomas in eine touristische Anlage kam dabei ganz unpassend. Denn just am gestrigen Tag hatten Hotelverband FEHT und die Gewerkschaften UFT sowie CCOO gemeinsam gefordert, dass Flüchtlinge nicht mehr in touristischen Unterkünften untergebracht werden sollen, da man die touristische Wintersaison vor Augen hat.

Kanarische PP fordert Entlassung des Innenministers

Auch die Opposition auf den Kanaren in Form der Fraktion PP hat natürlich auf diese Ereignisse reagiert und fordert die Entlassung des spanischen Innenministers. Begründet wird dies mit einer „schwerwiegenden Verantwortungslosigkeit“, die durch das Innenministerium begangen wurde, indem man die Flüchtlinge einfach aus dem Hafen von Arguineguin geholt hat. Die Vorsitzende der kanarischen PP, Australien Navarro schrieb in einer Erklärung: „Sie haben mehr als 200 Einwanderer auf die Straße gebracht und diese sich selbst überlassen. Das ist grobe Verantwortungslosigkeit. Wir fordern von Minister Marlaska sofortige Verantwortung und dass sie ihn entlassen, wer er sich nicht mit der schweren humanitärer Krise, der Kanaren befasst“.

Navarro „frotzelte“ auch Sánchez in der Erklärung an und fragte, „ob dies die von Präsident Pedro Sánchez vorgeschlagene Lösung ist“.

Auch Torres wurde angegangen. „Was sagt Präsident Torres oder Ministerin Santana dazu? Sie sollten auf dem Plaza de la Feria sein, um diesen armen Menschen eine Lösung anbieten“.

Letztendlich beschuldigte man aber wieder die Zentralregierung, sich nicht mit der Flüchtlingskrise zu beschäftigen, weil „man beschlossen hat, dass die Menschen auf den Inseln bleiben sollen und keiner die Inseln verlassen soll“.

Unser Kommentar dazu

Das wir in einer Flüchtlingskrise sind, die sich den Zahlen des Jahres 2006 annähert, ist mittlerweile bei jedem angekommen. Die Politik spielt damit jedoch „Ping Pong“, sowohl zwischen Madrid und den Kanaren als auch zwischen Spanien und der EU oder der EU und den Kanaren. Es werden keine schnellen Lösungen gefunden, obwohl man Instrumente angekündigt hat, die auch 2006 angewendet wurden. Dafür wird Spanien seit Jahren kritisiert, aber Hilfe kommt keine aus der EU.

Deportationen nach Mauretanien werden wieder aufgenommen, die EU will solche „Machenschaften“ in der eigenen Zone aber nicht unterstützen, aber die EU will bei dem Thema gar nicht unterstützen. Es wird viel geredet und nichts getan.

Lediglich die eigenen Interessen werden gewahrt. Ein Grund (nicht der Einzige) dafür warum es überhaupt eine solche Flüchtlingswelle gibt. Die EU hat Verträge und Gesetze gemacht, die den Fischern an der afrikanischen Küste die Lebensgrundlage entziehen, man fischt das Meer lieber selbst leer. Keine Lebensgrundlage bedeutet für viele Menschen kein anderer Ausweg als die Flucht aus wirtschaftlichen Gründen. Die EU nutzt (wie der Rest der Welt) Afrika weiterhin als Kontinent zum Ausbeuten und will sich den Konsequenzen aber nicht stellen.

Die Flüchtlinge selbst können nichts dafür, diese versuchen nur irgendwie zu „überleben“, sei es wegen Krieg oder eben wegen fehlender wirtschaftlicher Perspektiven, die Ihnen von der Weltgemeinschaft inklusive der EU genommen werden. Die Menschen haben lediglich ein Problem, die Flucht und illegale Grenzüberschreitung ist eben genau das, illegal. Dadurch haben die Menschen kein Anrecht auf Asyl und werden in der Regel abgeschoben, was in Spanien normalerweise problemlos funktioniert. Durch Corona aber zwischen März und Mitte November nicht passiert ist.

Trotzdem geht man mit den Menschen schlechter um, als mit manchen Tieren, die bei uns so leben. Menschlichkeit und humanitäre Denkweise wird völlig ignoriert, jeder ist sich selbst der nächste. Angefangen von der Ausbeute der Afrikaner bis hin zum Selbstschutz, am liebsten gar mit Waffengewalt (VOX), wenn es gar nicht anders geht. Es gibt keine einfache Lösung für dieses Problem, die uns als Menschen von den Tieren unterscheiden würde (der stärkere gewinnt). Es gibt nur Lösungen, die von uns allen mehr abverlangt als das, was viele derzeit bereit sind zu akzeptieren. Hass, Rassismus, und Hetze sind jedenfalls keine Lösung für dieses Problem, ganz im Gegenteil, es macht uns nur wieder mehr zu Tieren als zu Menschen.

Auch wir hoffen darauf, dass dieses „Ping Pong“ der Politik ein Ende finden wird, evtl. Hat die gestrige Aktion dazu beigetragen hier etwas zu durchbrechen, was bisher kaum zu durchbrechen war. Evtl. Haben die Kanaren nun die Aufmerksamkeit, die diese verdienen, damit das Problem endlich zeitnah gelöst wird. Aber wir wissen es nicht, nur die Zeit wird zeigen, ob wir uns in die richtige Richtung bewegen oder nicht. – TF

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